Es gibt nur wenige Themen im Bereich der Bildenden Kunst, über die so kontrovers diskutiert wird, wie über Kunst im öffentlichen Raum. Nach der Euphorie der 1950er und 1960er Jahre, wurde in den 1970ern deutlich, dass die staatlichen Bemühungen um Kunst im öffentlichen Raum von der Öffentlichkeit in vielen Fällen negativ rezipiert wurden. In diesem Kontext veränderte das US­ amerikanische National Endowment for the Arts (NEA), eine staatliche Stiftung zur Förderung von Kunst und Kultur, 1974 dessen Förderrichtlinien. Kunst im öffentlichen Raum sollte sich den Vorgaben des physischen Ortes möglichst integrativ anpassen. Man setzte den vom Ort unabhängigen Skulpturen den Ortsbezug entgegen.

Die Ortsgebundenheit von zeitgenössischer Kunst entwickelte sich aus der minimalistischen Kunst der 1960er Jahre. In dem Buch Über die Ruinen des Museums bezeichnet Douglas Crimp die Ortsspezifik als dialektische Antwort auf den Modernismus mit seinen System aus Museen, Galerien und Sammlern. Mit ihren ortsspezifischen Werken setzen Künstler einen Widerstand gegen die Warenästhetik der mobilen und somit ortlosen Kunst. Dementsprechend ist die Ortsspezifik als eine Reaktion auf die sogenannten „Drop-Skulpturen“ von beispielsweise Auguste Rodin und Henry Moore zu verstehen, deren Werke, wie Rosalind Krauss es formuliert, zumeist Kontextlos in einer Vielzahl von Abgüssen an verschiedenen Orten (Museen, öffentliche Plätze, private Räume) auf der Welt positioniert werden. Mit der Ortsspezifik, also dem Anspruch, dass ein Werk für einen bestimmten Ort erschaffen wird, erheben ortsspezifisch arbeitende Künstler im Sinne von Walther Benjamin einen Anspruch auf Originalität und Authentizität. Die durch die sogenannten „Drop-Skulpturen“ verlorengegangene Aura wird dementsprechend durch die Ortsspezifik wieder hergestellt. Während das Konzept der modernen Skulptur stets nach Unabhängigkeit gegenüber dem Ort strebt, was gleichsam als Befreiung von ihrer Funktionalisierung als Monument verstanden werden kann und das Kunstwerk transportabel, ortlos und autonom macht, wird in der Minmal Art der Schwerpunkt auf den umgebenden Raum und den Rezipienten geschoben. Douglas Crimp zufolge debattiert ortsspezifische Kunst den Idealismus der modernen Skulptur und die Einbeziehung des Rezipienten. Seiner Meinung zufolge sind die Koordinaten ortsspezifischer Kunst nicht nur zwischen Betrachter und Werk festgelegt, sondern zwischen dem Betrachter, dem Kunstwerk und dem Ort. Während im modernistischen Idealismus die Position des Subjekts dem Künstler zugeschrieben wird, nimmt in der ortsspezifischen Kunst der Betrachter diese Rolle ein. Im Gegensatz zur Kontextlosigkeit sind ortsspezifisch arbeitende Künstler bemüht den umgebenen Ort und dessen Besonderheiten bei der Konstitution des Werkes mit einzubeziehen um zu einer neuen Erfahrung von Werk und Ort zu gelangen. Ortsspezifische Kunst ist sowohl formal als auch inhaltlich für einen bestimmten Ort konzipiert und mit diesem untrennbar verbunden. Ziel ist es, den Ort nicht nur in seiner physischen und räumlichen Gegebenheit zu sehen, sondern auch als kulturelles Gefüge.

Rosalind Krauss setzt den historischen Bruch von der kontextlosen zur ortsbezogenen Kunst mit den Begriff der Postmoderne und Künstlern, wie Richard Serra zusammen. Während Künstler, wie Carl Andre, die Ortsspezifik relativ abstrakt definieren und Orte nicht für einzigartig halten, sondern mit Raumkategorien arbeiten, gehört Serra zu den Künstlern, die dieses Konzept radikalisieren. Serras Auffassung nach muss sich das Werk auf die charakteristischen Eigenschaften des Ortes, für das es bestimmt ist, berufen. Serra kommentierte diese Art von Ortsspezifik 1978 in einem Interview folgendermaßen:

Wenn man vom „Platz“ als etwas Dauerhaften und Notwendigen spricht, plastische Arbeiten geradezu als „Platz“ definiert und dann zulässt, dass diese Arbeiten einfach verpackt und herum transportiert werden, so liegt darin offensichtlich ein konzeptioneller Widerspruch. Ich selbst habe hier eine gegenteilige Vorstellung. Meine Freiplastik der letzten Jahre konnte jeweils nur dort errichtet werden, wo sie sich jetzt befindet, sie kann nicht herum transportiert und an beliebigen Ort aufgestellt werden.

Die Skulptur Tilted Arc manifestiert die Radikalisierung der Ortsspezifik durch Richard Serra. Die Reaktionen auf das Kunstwerk verdeutlichen jedoch auch, dass die Ortsspezifik keine endgültige Lösung für Kunst im öffentlichen Raum bietet. Serra erhielt von der amerikanischen Regierung den Auftrag, eine dauerhafte (und nicht temporäre) Plastik für den Federal Plaza in Manhattan (NY) entwerfen. 1981 wurde die 36,6 m lange und 3,66 m hohe, leicht geneigte Plastik aus Stahl, mit dem Namen Tilted Arc realisiert und auf dem Platz errichtet. Die Ortsgebundenheit von Tilted Arc zum Federal Plaza spricht sich durch verschiedene Aspekte, wie die Form des Werkes, der Maßstab, das Material und die Platzierung in Relation zum Platz aus. So übernimmt die Skulptur beispielsweise die Rundung des Brunnens und die Variation aus Halbkreisen des Kopfsteinpflasters auf dem Federal Plaza.

Trotz der vermeintlich integrativen Anpassung des Werkes an die Umgebung, reagierten die am Plaza ansässigen Büroangestellten, die täglich mit dem Werk konfrontiert wurden, negativ. Edward Re, ein am Federal Plaza ansässiger Richter begann bereits im selben Jahr der Errichtung von Tilted Arc mit einer Kampagne gegen das Werk. In einem Brief aus dem Jahr 1981 behauptet er, dass die Mauer, wie er Tilted Arc beschreibt, nicht nur die Schönheit des Platzes zerstört, sondern auch die Nützlichkeit des Platzes. 1984 begann William Diamond, der kurz zuvor ernannte regionale Administrator der General Service Administration in New York, sich für den Fall zu interessieren. Er organisierte im selben Jahr eine öffentliche Anhörung, in der über den Abbau von Tilted Arc und dessen Neuinstallation an einem anderen Ort entschieden werden sollte. Diamond ernannte sich selbst zum Vorsitzeden der Anhörung und wählte ein fünfköpfiges Gremium aus, das auf der Grundlage von Zeugenaussagen über die Versetzung von Tilted Arc entscheiden sollte. Während der öffentlichen Anhörung (6.-­8. März 1985) wurden 180 Aussagen gehört. 122 Personen stimmten für den Verbleib und 58 Stimmen plädierten für die Versetzung von Tilted Arc.

Zu den Fürsprechern von Tilted Arc gehörten vor allem Künstler und Kuratoren, wie Claes Oldenburg, Frank Stella, Louise Bourgeois, Leo Castelli, Frank Gehry, Keith Haring, Donald Judd, George Segal, Benjamin Buchloh, Douglas Crimp und Rosalind Krauss. Hauptargument der Verteidigung von Tilted Arc war die Ortsspezifik der Skulptur. Serra zufolge bestand eine rechtliche Verbindung zwischen dem Kunstwerk und dem Ort, für den Tilted Arc intendiert war. Entsprechend der Leitlinien der GSA bildet das Konzept des Werkes „einen integralen Part des totalen architektonischen Designs”. Aufgrund ihrer Ortsspezifik würde die Skulptur ihren Sinn verlieren, also zerstört werden, wenn man sie auf einen anderen Platz setzen würde. In einen Brief an Donald Thalacker gab Serra die zentrale Zerstörungsthese von sich.

Tilted Arc was commissioned and designed for one particular site: Federal Plaza. It is a site specific work and as such not to be relocated. To remove the work is to destroy the work.

Begutachtet man die in The Destruction of Tilted Arc (1991) publizierte Liste der Individuen, die sich während der Anhörung gegen die Skulptur von Serra aussprachen, fällt auf, dass es sich hierbei vorwiegend um Mitarbeiter und Anwohner des Federal Plazas handelt, Personen, die täglich mit dem Werk konfrontiert wurden. Sie adaptierten im großen Maße die Argumentation von Edward Re und William Diamond. Den Stimmen zufolge wurde das Werk aufgrund der Größe als unästhetisch und aggressiv empfunden. Die Wirkung von Tilted Arc auf seinen Standort wurde als zerstörerisch für dessen Schönheit und Nützlichkeit betrachtet. Stimmen beschrieben die Plastik als „Fehler, Unfug und Müll, eine arrogante hochnäsige Geste, die Berliner Mauer, der eiserne Vorhang, eine Narbe auf dem Platz.“ Die Gegner des Werkes griffen die vermeintliche Radikalität der Ortsspezifik von Serra auf. Die Argumentation basierte auf Werkbeispielen von Serra, die, vermeintlich ortsspezifisch intendiert, an verschiedenen Orten platziert wurden. Hierbei wurde der Fokus auf das Werk Clara Clara gelegt. Eigentlich für den Eingangsbereich des Centre Pompidou in Paris in Auftrag gegeben, wurde die Plastik 1983 in den Jardin des Tuileries positioniert. Später wurde die Skulptur in La Défense umgesiedelt um dann im Jahr 1993 in einem Lager zu verschwinden. Im Jahr 2008 kehrte Clara Clara anlässlich der Monumenta temporär in den Tuileries zurück. Diese Skulptur ist nicht das einzige Werkbeispiel von vermeintlich Ortsspezifischen Skulpturen Serras, die versetzt wurden. Auch Berlin Junction und Sight Point wurden umkontextualisiert. Berlin Junction wurde 1987 zunächst vor dem Martin Gropius Bau in Berlin installiert und ein Jahr später an die Berliner Philharmonie positioniert. Sight Point sollte vor der Wesleyan Universität in den USA errichtet werden. Der Auftrag wurde jedoch zurückgezogen, nachdem sich der Architekt des Universitätsgebäude gegen die Größe und Nähe zu den historischen Gebäuden aussprach. Eigentlich ortsspezifisch für einen anderen Kontext erschaffen, fand dieses Werk später einen Platz, 1972 in Amsterdam, vor dem Stedelijk Museum. Interessant ist in diesem Hinblick die nachträgliche Kontextveränderung des Ortes. Eigentlich nicht für das Stedelijk Museum geplant, dann doch dort platziert, änderte sich in den letzten Jahren die Gestaltung des Platzes um das Stedelijk Museum. Ursprünglich im Museumsgarten positioniert, befindet sich Sight Point nun vor dem Haupteingang des Museums. Es stellt sich dementsprechend die Frage, inwiefern ortsspezifische Kunst noch ortsspezifisch sein kann, sobald sich die Gestaltung bzw. die Funktion des Ortes, für das es geschaffen wurde, ändert.

Trotz der eindeutigen Mehrheit von Personen, die für den Verbleib von Tilted Arc plädierten, empfahl das Gremium mit vier zu einer Stimme, die Plastik umzusetzen. Serra strengte daraufhin 1986 einen Prozess gegen die GSA an. Die Klage stützte sich auf den angeblichen Vertragsbruch durch die GSA. Hauptargument war die Verletzung von Serras Recht auf eine freie Meinungsäußerung. Es wurde argumentiert, dass sobald ein Ausdrucksmittel öffentlich ausgestellt wird, die Rechte des ersten Zusatzartikels gelten, der es dem Staat verbietet, Äußerungen aufgrund des Inhaltes zu unterdrücken. Der US­ Bezirksanwalt Rudolph Giuliani argumentierte entgegengesetzt für die GSA. Ihm zufolge traf das Recht auf Redefreiheit in diesem Fall nicht zu. 1987 wies das US Bezirksgericht die Klage in allen Punkten ab. Die Hauptbegründung lautete, „dass Tilted Arc vollständig im Staatseigentum ist und auf staatlichen Grundbesitz ausgestellt ist. Bezogen auf die Skulptur hat Serra sein Recht auf Redefreiheit verwirkt, als er sie aus freien Stücken an die GSA verkaufte.” Tilted Arc schuf somit einen Präzedenzfall für den Vorrang von Eigentumsrechten gegenüber dem Recht auf Ausdrucksfreiheit und moralischen Rechten von Künstlern. Die GSA ist Eigentümer des Kunstwerkes, darf frei darüber verfügen und es dementsprechend auch von ihrem intendierten Standort entfernen. Tilted Arc wurde am 16. März abgebaut und vier Jahre nach dem Public Hearing hinsichtlich der Ortsspezifik zerstört. Bis heute lagert das Werk in einem Lagerhaus in Brooklyn und bis heute pocht Serra darauf, dass das Werk nur auf dem Federal Plaza errichtet werden darf.

Während William Diamond den Abriss als Tag der Freude zelebriert, da der Plaza nun wieder den Menschen zurückgegeben wurde, beschreibt Eric Brooks 1989 in Tilted Justice die Entscheidung als Scheitern des amerikanischen juristischen Systems.

The loss of “Tilted Arc” forcefully illustrates the failure of U.S. laws to protect the visual artist’s moral rights of paternity and integrity. Removal of any site­specific sculpture from its context, even if relocated intact, by definition violates the integrity of the work, resulting it its conceptual destruction.

Serra selbst vergleicht den Abriss von Tilted Arc mit Bücherverbrennungen, während Benjamin Buchloh den Fall rückblickend als Vandalismus von oben und illegalen Schauprozess bezeichnet. Die Verwendung des Begriffes Vandalismus von oben, der von Benjamin Buchloh in diesem Zusammenhang verwendet wird, erinnert stark an Martin Warnkes Unterscheidung von Ikonoklasmus von „oben“ und von „unten“. Bezeichnet der Ikonoklasmus ursprünglich die Zerstörung religiöser Bildwerke, steht der Begriff heute für den Widerstand gegen Bilder und Kunstwerke überhaupt und im übertragenden Sinn für den Angriff auf angesehene Institutionen und Glaubenssätze. Diese politische Dimension hat seinen Ursprung in der französischen Revolution. Die Idee der Revolution wird mit der Idee des Ikonoklasmus parallelisiert. Durch die Zerstörung von Bildern ihrer Macht sollten die realen politischen Mächte zerstört werden, eine Idee, die sich bis heute durch die Geschichte zieht, von der Zerstörung der Vendôme Säule im Jahr 1871 bis zur Zerstörung der Lenin- und Stalin-Statuen in den post-kommunistischen Ländern. Mit der französischen Revolution wird jedoch nicht nur der Begriff Ikonoklasmus, sondern auch der Begriff Vandalismus in Verbindung gebracht. Der Begriff dient dazu, die Zerstörung von Emblemen der königlichen, kirchlichen und aristokratischen Macht, die man gleichzeitig zum nationalen Kulturgut erklärt, als Barbarisch zu kennzeichnen. Während Ikonoklasmus eine Intention unterstellt, repräsentiert Vandalismus den „Prototyp einer willkürlichen Handlung.“ Martin Warnke zufolge „werde der Ikonoklasmus von „oben“ als Großereignis der Kunstgeschichte gefeiert, wenn er die ästhetische Qualität der eliminierten Werke zu übertreffen verstand, der Ikonoklasmus von „unten“ dagegen werde als blinder Vandalismus denunziert“. Benjamin Buchlohs Charakterisierung zufolge handelt es sich bei dem Vandalismus von „oben“ nicht um einen aus politischer Ohnmacht entsprungenen Vandalismus, sondern aus einer Herrschaft entsprungenen Vandalismus. Dementsprechend wurde auch im Fall von Tilted Arc das Werk im übertragenen Sinn durch neue Symbole ersetzt. Die GSA unterstützt den negativen Reaktionen auf Tilted Arc folgend Projekte, die keine Konfrontation suchen und die dem öffentlichen Geschmack angepasst zu sein scheinen. Dem Anspruch der Benutzerfreundlichkeit folgend, wurden demonstrativ nach dem Abriss der Plastik Bänke und Pflanzen errichtet.

Miwon Kwon bringt den Tilted Arc Prozess mit den sogenannten Culture Wars in dem Buch One Place After Another in Verbindung:

The Tilted Arc incident made most clear that public art is not simply a matter of giving „public access to the best art of our times outside museum walls.“ In fact, much more was riding on the Tilted Arc case than the fate of a single art work. Unlike prior public art disputes, this controversy as one of the most high­profile battlegrounds for the broad­based „culture­wars“ of the late 1980s, put to the test the very life of public funding for the arts in the United States. In the tide of neoconservative Republicanism during the 1980s, with the attack on governmental funding for the arts (…) reaching a hysterical pitch by 1989, public art programs had to strategically rearticulate their goals and methods in order to avoid the prospect of annihilation or complete privatization.

Die Aktion gegen Tilted Arc wurde als eine neokonservative Kampagne um Kultur zu privatisieren und kritische Kunst zu zensieren interpretiert. Serra und seine Unterstützter gingen davon aus, dass der Wunsch der Verschiebung von Tilted Arc nichts mit dem Wunsch der Öffentlichkeit zu tun hat, sondern mit den politischen Aspirationen von u.a. dem Republikaner und GSA Administrator William Diamond. Benjamin Buchloh zufolge beschränken sich die Attacken gegen die staatliche Förderung von Kunst im öffentlichen Raum nicht nur auf Serras Plastiken. Mit den vandalistischen Aktionen gegen Kunst versuchten vor allem zumeist akademisch gebildete Politiker zu profilieren. In der Tat springen vor allem William Diamond und Edward Re als Vorantreiber des Falles in Erscheinung, wohingegen es keine akkuraten Messungen oder repräsentativen Dokumente für die allgemeine öffentliche Meinung bezüglich Tilted Arc gibt. William Diamond stellte sich während des Prozesses als Beschützer des öffentlichen Interesses da. Seiner Meinung nach würde er der Öffentlichkeit einen Gefallen mit der Entfernung von Tilted Arc erweisen. Serra selbst zieht in einem von ihm verfassten Artikel Zensur in den USA aus dem Jahr 1989 eine Verbindung zwischen Tilted Arc und der Zensur von Robert Mapplethorpe Fotografien. Die Corcoran Art Gallery hatte eine Ausstellung mit Robert Mapplethorpe Fotografien abgesagt nachdem die Kritik der Öffentlichkeit bezüglich der Ausstellungsstücke zu groß wurde. Es wurden Fotografien beanstandet, die als Verletzung des öffentlichen Anstands betrachtet wurden. Während bei Robert Mapplethorpe der öffentliche Anstand als Argumentationspunkt genutzt wurde, spielten die GSA Verantwortlichen hinsichtlich Tilted Arc mit den grundlegendsten Ängsten der Bevölkerung. Vickie O’Dougherty, Mitarbeiterin der GSA trug Sicherheitsbedenken vor. Aufgrund der Größe und der Positionierung der Plastik, so die Argumentation, könne das Sicherheitspersonal den Platz nicht mehr voll überblicken. Ihr zufolge würden Drogendealer den Platz aufgrund der durch Tilted Arc hervorgebrachten Unübersichtlichkeit für ihre Geschäfte nutzen. Bedenken waren jedoch nicht nur, dass Tilted Arc die polizeiliche Überwachung behindern würde, sondern auch, dass Terroristen die Skulptur als Sprengwand nutzen könnten. Tilted Arc sei demnach für Terroristen besonders gut geeignet, weil es die Explosionskräfte nicht nur nach oben, sondern auch in einem Winkel auf beide Gebäude lenken würde. Tilted Arc ist nicht das einzige Werk, indem mit solchen Ängsten gespielt wurde. Das Baltimore Federal des Künstlers George Sugarman aus dem Jahr 1978 wurde wie Tilted Arc beschuldigt, als Versteck für potentielle Diebe oder Terroristen zu dienen. Weitere exemplarische Beispiele dieses Vandalismus von „oben“ bilden die Entfernung der Fassadeninstallation Thirty Most Wanted Men von Andy Warhol für die New Yorker Weltausstellung (1964) und die Entfernung eines Wandgemäldes von Robert Motherwell im Federal Building in Boston. Das Robert Motherwell Werk hatte darüber hinaus weitreichende Folgen für das Art in Architecture Program. Dieses wurde aufgrund des Skandals 1966 für sechs Jahre stillgelegt. Auch der Abbau von Tilted Arc hatte Folgen für die Regierungsprogramme. Als Reaktion wurden 25 Projekte des Art in Architecture Program gestoppt, um neuen Richtlinien zu formulieren, welche die Einflussmöglichkeiten von den Kommunen und Architekten bei der Auswahl der Künstler verstärkten.

Analysiert man die Reaktionen auf Serras Plastiken im öffentlichen Raum und Kunst im öffentlichen Raum im Allgemeinen, fällt auf, dass es zu eng gefasst wäre, den Prozess um Tilted Arc lediglich als Kampf der republikanischen Machthaber gegen die zeitgenössische Kunstwelt zu stilisieren. Die Proteste gegen Serras Werke und Kunst im öffentlichen Raum beschränken sich nicht nur auf die USA. Auch in Europa gibt es Fälle, wie der Abbau von Clara Clara zeigt. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass sowohl Clara Clara, als auch Tilted Arc vor dem Abriss mit Graffiti beschmiert wurden. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Beispiele aus Serras Œuvre, positioniert im öffentlichen Raum, die mit Graffiti besprüht oder mit Postern behangen wurden, wie u.a. Torque, Berlin Block for Charlie Chaplin, T.W.U., Sight Point und Terminal. Der Vandalismus gegen Serra entspringt demnach nicht nur von „oben“, sondern auch von „unten“, durch Bürger. Der Vandalismus von „unten” ist kein neues Phänomen. Ähnlich wie Serras Plastiken im öffentlichen Raum werden oftmals Werke von Henry Moore Opfer vandalistischer Anschläge. Eine Skulptur, die extrem negative Reaktionen hervorrief war Henry Moores Liegende, das auf dem Grundstück des Temple Newsam House platziert war. 1953 wurde diese mit blauer Farbe verschmiert und 1956 wurde die Arbeit wie Tilted Arc und Clara Clara aus der Öffentlichkeit entfernt. In Wuppertal wurde wenige Jahre später (1959) eine weitere Skulptur von Henry Moore mit heißem Teer übergossen und gefedert. Ein weiterer Fall ereignete sich 1995 in Schottland. Hier wurden der Bronzeskulptur King and Queen die Köpfe abgesägt. Auch Auguste Rodin und Henri Laurens bleiben von solchen Angriffen nicht verschont. 2002 haben Unbekannte die Füße der Skulpturen Le Matin von Henri Laurens und der Denker von Auguste Rodin, die vor der Kunsthalle Bielefeld positioniert sind, die Zehen abgesägt. In unmittelbarer Nähe zu diesen beiden Werken befindet sich Serras Axis, das zur gleichen Zeit mit Farbbeuteln beworfen wurde. Nicht nur permanent intendierte Skulpturen provozieren vandalistische Attacken, wie Paul McCarthys temporär intendierte Skulptur Tree beweist. Es handelt sich hierbei um eine mit Luft gefüllte grüne Skulptur, dessen Form an einen stilisierten Tannenbaum oder ein Sexspielzeug erinnert. Sie wurde anlässlich der International Contemporary Art Fair auf dem Place Vendome in Paris positioniert. Kurz darauf wurde im Oktober 2014 die Luft herausgelassen.

Für Anschläge auf Kunst im öffentlichen Raum gibt es verschiedene Erklärungsansätze. Zum Vandalismus im Allgemeinen zählt die kontroverse „Broken-Windows-Theorie“ zu den Bekanntesten. Der Psychologe Philip Zumbardo vermutete 1969, dass Anzeichen des Verfalls die Bereitschaft zu destruktiven Verhalten erhöhen. Aus diesen Erkenntnissen entwickelten der Kriminologe George Kelling und der Politikwissenschaftler James Wilson eine Theorie über die schrittweise Verslummung von Stadtteilen, die sie 1982 unter dem Titel Broken-Windows beschrieben. Die „Broken-Windows-Theorie“ besagt, dass harmlose Übertretungen, wie Graffiti für weit schlimmere Taten bereiten, weil sie das Gefühl erzeugen, die Situation sei außer Kontrolle geraten und niemand werde zur Rechenschaft gezogen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass New Yorker Verwaltungsbeamte, wie zum Beispiel Rudolph Giuiliani, der wie bereits erwähnt während des Gerichtsprozesses um Tilted Arc für die GSA argumentierte, diese Theorie als Grundlage für Aktionen gegen Bagatelldelikte nutzten. Ähnlich wie Rudolph Giuiliani die Broken Windows Theorie dazu instrumentalisiert Graffiti als Vandalismus und Ursprung für die Verwahrlosung von Stadtteilen zu deklarieren, wurde Tilted Arc von den Gegnern als Ursprung für die Verwahrlosung des Federal Plazas verantwortlich gemacht. So wurde dem Werk nicht nur vorgeworfen Graffiti anzuziehen, sondern auch Müll, sowie urinierende Menschen und daraus resultierend Ratten.

Doch wieso fällt gerade Kunst im öffentlichen Raum vandalistischen Taten zum Opfer, während Anschläge in beispielsweise Museen eher selten vorkommen? Erklärt sich dieses zum einen mit den Sicherheitsvorkehrungen in Museen, muss darüberhinaus berücksichtigt werden, dass Kunst im öffentlichen Raum anderen Zusammenhängen unterliegt als Kunst, die im geschützten Bereich der Kunstvermittlung angesiedelt ist. Kunst im öffentlichen Raum konfrontiert nicht nur eine explizit an der Kunst interessierte Teilöffentlichkeit, sondern auch ein „unfreiwilliges“ Publikum. Dem unfreiwillig zum Kunstbetrachter gewordenen Passanten bleiben zur Deutung oft nur Vermutungen. Dario Gamboni zufolge kann sich bei dem Passanten, die unfreiwillig mit Kunst im öffentlichen Raum in Berührung kommen, „ein Gefühl des doppelten Ausschlusses“ ergeben. „Ein Ausschluss von kulturellen Praktiken, für welche die Werke stehen, und ein Ausschluss vom öffentlichen Raum, der für diese Zeit für diese Praktiken reserviert wird.“ Dementsprechend kann Kunst im öffentlichen Raum eine solche symbolische Gewalt auslösen, auf die Ikonoklastisch geantwortet wird. Walther Grasskamp erklärt sich die vandalistischen Angriffe mit der Form von Skulpturen. Außenplastiken sind aufgrund des Mangels von figurativer Formen für die normalen Rezipienten nicht dechiffrierbar. Er diagnostiziert einen narrativen Bedeutungsverlust. Dieser Verlust äußert sich seiner Argumentation zufolge in der Ablehnung von abstrakter Kunst im öffentlichen Raum auf Seiten der ungeschulten Bevölkerung. Dementsprechend sieht er öffentliche Kunst zum Scheitern verurteilt. Neben der Form scheint auch das Material von Skulpturen im öffentlichen Raum eine Rolle zu spielen. Neben der abstrakten Form seiner Plastiken scheint Serra demnach darüberhinaus durch die Wahl des Materials zu provozieren. Seit 1969 nutzt er COR-TEN Stahl, ein schnell anrostendes Material. Er widersetzt sich damit der reinen Funktion eines Dekorationsstückes. Dementsprechend wurde Tilted Arc während des Prozesses nicht nur tendenziell die ästhetische Qualität und Wert abgesprochen, sondern generell auch die Eigenschaft des Kunstwerks. Es wurde als ein vergessenes Stück Bauteil beschreiben, dass eher auf einen Schrottplatz oder in den Hudsonriver gehöre, als auf dem Federal Plaza.

Das Material und die Form von Serras Plastiken alleine sind jedoch nicht die ganze Erklärung für die negative Reaktion der Rezipienten. Hinsichtlich der negativen Rezeption und dem Hauptargument von Serra gegen den Abbau von Tilted Arc lohnt sich dementsprechend ein Blick auf das speziell von Serra entwickelte Konzept der Ortsspezifik. Da die Plastik von Serra auf den Ort bezogen ist, sich dieser also vermeintlich anzupassen scheint, stellt sich die Frage, warum gerade Serra auf so vielen Niveaus provoziert. Douglas Crimp stellt die These auf, dass Serra nicht für Räume, sondern gegen Räume arbeitet. Elisabeth Fritz erklärt sich die Ablehnung durch die „agressive und egoistische Aneignung und Besetzung des Platzes durch das Werk, was zur Störung der ursprünglichen Form führte“. Laut Benjamin Buchloh steht Serras Skulptur am Ende der Moderne:

Serras Skulpturen machen keinen Hehl aus ihrer Lust an der Herausforderung. Sie definieren sich gerade als manifeste Gegengewalt gegen die unsichtbare Gewalt der Anpassung im tagtäglichen unbewussten Verhalten, wie auch in der Architektur. So hat Serra bereits im Planungsstadium von Tilted Arc ausdrücklich formuliert, dass er mit dieser Skulptur „die dekorative Funktion des Platzes stören, wenn nicht sogar verändern und die Menschen aktiv in die kontextuelle Erfahrung der Skulptur verwickeln wollte.“ (…) Dieser Absolutheitsanspruch auf direkte und unvermittelte ästhetische Präsenz und die unbedingte Erfahrung der Präsenz ist das essentielle historische Dilemma der modernen Konzeption des Kunstwerks.

Neben der formalen Merkmale zieht Serra in der vorangegangenen Untersuchung des zu bespielenden Ortes auch die sozialen und politischen Merkmale in Betracht. Diesbezüglich lohnt sich ein genauerer Blick auf die Funktionen der umgebenden Gebäude auf dem Federal Plaza. An diesem befindet sich unter anderem das Jacob Javits Federal Building. Es ist nach dem Pentagon das zweit größte Regierungsgebäude in den USA. In ihm befinden sich neben der Social Security Adminstration, das US Citizenship and Immigration Office, sowie Büros der GSA. Darüberhinaus befindet sich am Federal Plaza das internationale Handelsgericht. Tilted Arc wurde dementsprechend an einem Ort errichtet, das in einem sehr spezifischen Sinn öffentlich ist. Das Werk befindet sich laut Douglas Crimp genau im Zentrum des staatlichen Machtapparats. Vor dem Javits Gebäude verhielt sich Tilted Arc wie eine Sichtbarriere, die den Rest des Plazas abschnitt. Dementsprechend versperrte das Werk u.a. den Einwanderern, die das US Citizenship and Immigraion Office im Jacob Javits Federal Building besuchten, symbolisch den Blick auf die USA. Es findet laut Douglas Crimp eine Neudefinition des Ortes statt. Seiner Theorie zufolge ist die Ortsspezifik immer eine politische Spezifik, die Serra in seinen Werken aufdeckt. Tilted Arc versperrt nicht nur die Blickrichtungen und Wege, sondern kontrastiert darüber hinaus mit dem Architekturstil der Platzgestaltung. Die Plastik stellt sich entgegengesetzt der Rundungen des Brunnens und des Kopfsteinpflasters. die Plastik passt sich der Richtung der Rundung nicht an, sondern durchbricht sie. Dementsprechend wurde während des Prozesses um Tilted Arc das Argument der Ortsspezifik umgekehrt, indem u.a. erklärt wurde, dass das geometrische Muster der Pflasterung der Plaza ein ortsspezifisches Kunstwerk sei, das nun durch Tilted Arc unterbrochen sei. Für die Gegner von Tilted Arc stand das Werk im Konflikt mit seinem Ort. Aus diesem Grund wurde laut Douglas Crimp Tilted Arc als ein aggressives und egoistisches Werk angesehen, mit dem sich Serra seinen eigenen ästhetischen Anmaßungen über die Wünsche und die Bedürfnisse der Menschen stellte, die mit seinem Werk leben mussten. Serra erklärt, wenn das Werk erschaffen ist, wird der Raum vornehmlich als eine Funktion der Skulptur verstanden werden, eine Haltung, die Douglas Crimp als die Geiselnahme des Ortes durch die Skulptur definiert. Rezipienten empfanden das Werk als etwas ihnen von oben aufgezwungenes, eine arrogante Geste der Regierung, die ihnen einen gewissen Geschmack aufzwingen wollten. Die Erklärung, dass auf Serras Plastiken nicht nur durch den Vandalismus von „oben”, sondern auch von „unten” reagiert wird, erklärt sich also nicht nur durch das Material und die Form seiner Plastiken, sondern auch durch sein Konzept der aggressiven Aneignung des öffentlichen Raumes. Er stellt sich über die Bedürfnisse der Menschen, die mit seinen Werken alltäglich konfrontiert werden, also mit ihnen leben müssen. Tilted Arc kann der Argumentation folgend selbst als eine Art von Vandalismus von „oben” verstanden werden.

Der Kampf um Tilted Arc kann nicht nur als Kampf um ein öffentliches Kunstwerk, sondern auch als Kampf um den öffentlichen Raum im Allgemeinen angesehen werden. Serras Konzept der aggressiven Aneignung des öffentlichen Raumes scheitert im Fall von Tilted Arc. Dieser Fall zeigt, dass Serras Konzept keine Lösung für das Problem der Kunst im öffentlichen Raum bietet, stößt jedoch auch eine Debatte über die Rolle der Kunst im öffentlichen Raum an, eine Debatte über Rechte, Pflichten und dem Interesse der Künstler, der Förderer und der allgemeinen Öffentlichkeit. Der Abriss von dem provozierenden Werk, das die Rezipienten herausfordert, verdeutlicht, dass Stadtbewohner in der heutigen Zeit auf die Funktion des Konsumenten reduziert werden. Kunst im öffentlichen Raum ist der Gefahr ausgesetzt lediglich als dekoratives Gestaltungselement von innenstädtischen Aufenthaltsräumen missbraucht zu werden. Der Abriss von Tilted Arc beweist demzufolge die Paradoxien zwischen Kunst und Politik, wie Douglas Crimp feststellt.

Although Tilted Arc was commissioned by a program devoted to placing art in public spaces, that program seems now to be utterly uninterested in building a public understanding of the art it has commissioned. (…) What makes me feel so manipulated is that I am forced to argue for art as against some other social function. I am asked to line up on the side of sculpture, against, say, those who are on the side of concerts, or perhaps picnic tables. (…) I believe that we have been polarized here in order that we not notice the real issue: the fact that our social experience is deliberately and drastically limited by our public officials.

Es stellt sich die Frage, inwiefern sich die künstlerische Freiheit mit der Benutzerfreundlichkeit für die Öffentlichkeit, bzw. dem öffentlichen Recht, hinsichtlich eines staatlich regulierten Rahmens verbinden lässt. Es steht außer Frage, dass die Öffentlichkeit ein Recht auf eine benutzerfreundlich gestalteten öffentlichen Raum hat. Doch muss sich der Künstler diesem Dekorationsanspruch unterwerfen? Paul Goldbeger, ein Architekturkritiker der NY Times stellt fest, dass es für Kunst im öffentlichen Raum fast nie völligen Konsens gibt. Dem Druck einzelner sollte sich der Staat seiner Meinung nach nicht beugen. Ist der Protest jedoch einheilig, sieht die Sache laut Paul Goldberger anders aus. Serra hingegen stellt die berechtigte Frage, ob etwas übrig bleiben würde, wenn man die Öffentlichkeit über Kunst abstimmen lassen würde.

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Das Titelbild ist dem Buch GSA Art in Architecture: Selected Artworks 1997 to 2008 entnommen.